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INFICON, Dept. Leak Detection Tools
Köln, Germany
Book review ‘Vacuum Science and Technology’
Authors: Bert Suurmijer, Theo Mulder, Jan Verhoeven
Release date: February 2016
Das vorliegende Buch ist eine komplett neu bearbeitete Auflage des erfolgreichen niederländischen “Basisboek Vacuümtechniek“. Damit gibt es nun neben den Klassikern von Lafferty, Roth und Wutz/Jousten ein weiteres Standardwerk in englischer Sprache über die Vakuumtechnik. Das Buch fällt schon durch sein etwas breiteres Format ins Auge. Dadurch macht es einen sehr modernen Eindruck, was durch die etwas größere, Serifen freie Schrifttype unterstrichen wird.
Der gesamte Text spricht insbesondere Teilnehmer von Vakuumkursen an. Dazu ist er in klar gekennzeichnete Bereiche für Einsteiger und Fortgeschrittene unterteilt. In letzteren wird der vorher beschriebene Sachverhalt in mathematischer Form vertieft und näher erläutert. Damit kann zunächst ohne mathematischen Ballast ein Grundverständnis der Zusammenhänge erworben werden. Dies gelingt besonders gut dadurch, dass der Text in einfacher, klarer Sprache abgefasst ist und immer seinen Praxisbezug behält. An manchen Stellen würde man sich allerdings statt eines relativ langen Fließtextes eine systematische Unterteilung in kleinere Abschnitte wünschen, um beim Nachschlagen die ent scheidende Stelle leicht zu finden.
Eine große Zahl von Übungen, die am Ende jeden Kapitels zu finden sind und direkten Bezug auf den Text nehmen, unterstützen das Konzept des Lehrbuches. Offensichtlich hat man es aber nicht für erforderlich gehalten, ein Verzeichnis mit weiterführender Literatur hinzuzufügen, denn das vermisst man an manchen Stellen, wo man beim Nachschlagen die Vertiefung eines Themas sucht. Zwar sind immer wieder Namen von Vakuumforschern im Text genannt, die Originalliteratur muss man aber selbst finden. Hier gibt es klares Verbesserungspotential für die nächste Auflage.
Die Kapitelaufteilung ist klassisch: Zunächst wird die kinetische Gastheorie entwickelt und die für das Vakuum wichtigen Wechselwirkungen zwischen Gasphase und Festkörpern besprochen. Über die Beschreibung der Strömungsvorgänge gelangt man zu den verschiedenen Pumpprinzipien und Pumpenbauarten. Neben der umfassenden Beschreibung der grundlegenden Prinzipien wurde großer Wert gelegt auf eine aktuelle Darstellung insbesondere der trockenen Pumpen (Roots-, Scroll- und Klauenpumpen) sowie der Bauformen von Turbomolekularpumpen. Aber auch die neuen Bauformen bei Ionenzerstäuberpumpen werden nicht unerwähnt gelassen, so dass der Stand der Technik umfassend präsentiert und erklärt wird.
In den nächsten Kapiteln geht es um die Vakuummesstechnik. Zunächst werden die verschiedenen Messprinzipien vorgestellt, ausgehend von absoluten und mechanischen Vakuummetern die den Druck als Kraft pro Fläche messen. Aber es geht bis zum Viskositätsvakuummeter, Knudsenvakuumeter und Quarzreibungsvakuummeter und dadurch wird dem Leser deutlich gemacht, wieviel verschiedene physikalische Größen als Maß für den Druck im Vakuumbereich genutzt werden können, auch wenn nicht (mehr) alle kommerziell genutzt werden.
Bei der Partialdruckmessung nimmt das Quadrupolmassenspektrometer zu Recht einen großen Raum ein, aber natürlich werden auch das Sektorfeldmassenspektrometer und weitere Prinzipien beschrieben. Hilfreich ist die Beschreibung von Störeffekten wie z.B. stimulierte Ionendesorption (ESD) und die Messung von korrosiven Gasen mit geschlossenen Ionenquellen. Die Darstellung der Auswertemethoden von Spektren des Restgases im Vakuum ist umfangreich und die Übungen zur quantitativen Auswertung eines Gasgemisches geben dem Anfänger eine konkrete Hilfe.
Das folgende Kapitel über die Messung von Pumpeneigenschaften taucht etwas überraschend auf, es hätte vielleicht besser dem jeweiligen Pumpprinzip zugeordnet werden können.
Die Geräte und Methoden für die Dichtheitsprüfung werden in dieser Ausgabe besonders ausführlich beschrieben, sie nehmen immerhin fast 10% des Gesamtumfangs ein. Das ist im Hinblick auf die zunehmende Bedeutung der Dichtheitsprüfung und Lecksuche (nicht nur an Vakuumsystemen) sehr zu begrüßen. Grundsätzliche und praktische Aspekte der Dichtheitsprüfung (insbesondere auch für Hoch-vakuumsysteme) werden breit erläutert und eine Übersicht über die verschiedenen Prüfmethoden gegeben. Dabei ist allerdings der Text wenig gegliedert und es gibt keine Prinzipdarstellungen in grafischer Form, so dass der Leser schnell den Überblick verlieren kann. Man hätte hier gut der Syste-matik der entsprechenden europäischen Normen folgen können. Der Heliumleckdetektor steht zu Recht im Mittelpunkt der Darstellung bei den Geräten, allerdings kommt die Bedeutung des Pumpsystems für die Messung von Leckgasströmen zu kurz: der Leckdetektor wird nur als Massenspektrometer gesehen, das ein Pumpsystem zum Betrieb besitzt. Bei der Darstellung von Haupt- und Gegenstromprinzip hätte man gut erklären können, wie aus einem Prüfgasstrom durch die Hoch bzw. Vorvakuumpumpe ein Prüf-gaspartialdruck wird, der im Massenspektrometer gemessen wird. Bemerken muss man an dieser Stelle auch noch, dass der Begriff der ‘Empfindlichkeit’ auch in diesem Buch synonym mit der kleinsten nachweisbaren Leckagerate (Nachweisgrenze) verwendet wird. In einem Lehrbuch sollte nicht diese umgangssprachliche Ausdrucksweise benutzt werden, sondern die Nachweisgrenze (Rauschgrenze) streng von der Empfindlichkeit (Verhältnis von Leckagerate und Ausgangssignal) unterschieden werden.
Lobenswert ist, dass auch moderne Sensorprinzipien, wie die Infrarotabsorption, der MOSFET-Halbleiter-sensor und sogar der Quarzfenstersensor aufgenommen wurden. Damit wird dem Leser der Stand der Technik vermittelt, der sich in den letzten Jahren rasant entwickelt hat.
Zwei Kapitel über Komponenten, Materialien und Arbeitstechniken schließen den Band ab und enthalten eine Fülle von praktischen Hinweisen und Zahlenwerten zu Materialeigenschaften, die dem Praktiker weiterhelfen können.
Das vorliegende Buch ist eine sehr hilfreiche Unterlage für Lehrgänge und Seminare über Vakuum-technik. Der Text ist gut verständlich und im Umfang angemessen, insbesondere klar aufgeteilt für Anfänger und Fortgeschrittene. Bei den Gleichungen fällt positiv auf, dass sie, anders als in anderen Vakuumbüchern, grundsätzlich dimensionslos geschrieben sind, d.h. für jedes Maßsystem richtig. Leider wird dieses Prinzip aber nicht immer durchgehalten und einige Gleichungen geben (unnötigerweise) Ergebnisse mit Einheiten an (z.B. m3/s bei Leitwerten) und verunsichern damit den Leser.
Ein Kritikpunkt ist allerdings nicht zu vermeiden: es gibt keine Quellenangaben bei den verwendeten Grafiken und Bildern (außer bei einigen Produktfotos) und auch kein Literaturverzeichnis oder Hinweise auf Normen (bis auf eine Fußnote bei den Pumpen). Vertiefende Informationen sind damit für den Leser nicht einfach aufzufinden.
WGB 01-07-2017